Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, 29.6.1985 (Loreto)

Am heutigen Fest möchte ich einmal nicht über die dem hl. Petrus von Christus verliehene Größe sprechen, sondern an die ihm eigene menschliche Kleinheit und Schwäche. Wir können nämlich daraus viel lernen.

Da steht das Christuswort vor uns, das der Herr beim Letzten Abendmahl zu Petrus gesprochen hat: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Du aber, wenn du umgekehrt bist, stärke deine Brüder!“

Es ist ein vielsagendes Christuswort. Vergessen wir aber nicht, was diesem Christuswort vorausgegangen ist: „Simon, Simon, Satan hat verlangt, euch sieben (wörtlich: im Sieb schütteln) zu dürfen wie Weizen!“ Das Bild ist klar: der Weizen wurde im Altertum in einem Sieb geschüttelt, damit er von der Spreu gereinigt werde.

Der Herr wusste zu gut: Immer ist der Mensch, auch wenn er noch so hoch gestellt ist wie Petrus damals als erster der Apostel und als in Aussicht genommener Stellvertreter Christi, immer ist der Mensch – jeder Mensch – in seinem Glauben gefährdet. Das galt damals für die Apostel bei der anbrechenden Passion ihres Meisters und galt auch vom ersten der Apostel. Das gilt aber auch heute und gilt auch für uns. Immer daran denken! Immer werden wir in der Festigkeit unseres Glaubens geprüft. Heute ganz besonders in dieser Zeit, da die Verwirrung in der Kirche eingedrungen ist und der große Glaubensabfall begonnen hat.

Aus der Gefährdung unseres Glaubens rettet nur Gott, der Hl. Geist. Und es gibt darum nur eine Glaubenssicherheit, die sich an Gott, den Hl. Geist hält und auf ihn stützt. Deshalb die Notwendigkeit des Gebetes und die Notwendigkeit der Firmung. Einer hat damals beim Letzten Abendmahl für Petrus und sicher auch für uns gebetet um den erleuchtenden, im Glauben stärkenden Hl. Geist.

Er tat es damals beim Letzten Abendmahl. Er tut es immer wieder.

Aber auch wir müssen beten, dass unser Glaube nicht wanke, dass der Glaube des Petrus, des Petrusnachfolgers, des Papstes nicht wanke, dass der Glaube der Apostel, der Apostelnachfolger, der Bischöfe und der Priester nicht wanke! Vergesst, liebe gläubige Laien nicht auf diese ganz wichtige Aufgabe.

Da aber Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, damals für Petrus gebetet hat, ist die Gewissheit der Gebetserhörung gegeben. Denn der himmlische Vater liebt seinen Sohn und erhört ihn allezeit. So sollte Petrus wissen, dass er in seiner Glaubensgefährdung durch das Gebet Christi gehalten wurde, durch das Gebet Christi und die Gnade des Hl. Geistes und nur durch sie.

Falsche, stolze Selbstsicherheit ist gefährlich und wurde gefährlich, auch sogar für Petrus.

Wie selbstsicher hat er doch damals gesprochen: „Herr, ich bin bereit, mit dir in Kerker und Tod zu gehen!“ – Die Bereitschaft war sicher ehrlich gemeint und die Versicherung, die Petrus damals beim letzten Abendmahl gab, war sicher ernst gemeint. Aber dieses Wort: „Ich bin bereit!“, wie es auch jeder Firmling bei der Firmung, jeder Weihekandidat bei der Priesterweihe spricht, kam damals bei Petrus doch aus einem zu selbstsicheren, nur auf die eigene Charakterfestigkeit vertrauenden Herzen. Darum damals die erschütternde Antwort Jesu: „Ich sage dir, Petrus, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen!“ die Selbstsicherheit des Petrus – so kündigte es ihm der Herr damals an – werde sehr rasch, noch vor dem Hahnenschrei am Morgen, ins Gegenteil umschlagen. Und die Bereitschaft des Petrus, mit Christus in Kerker und Tod zu gehen, kapitulierte vor einer armseligen, großsprecherischen Magd.

Trotzdem wollte der Herr seinen erwählten Stellvertreter nicht verstoßen. Er ließ ihn fallen, damit er seine falsche Selbstsicherheit aufgab und dann die Sicherung seines Glaubens an Christus und seiner Treue zu Christus allein in Ihm, in Christus finden sollte in der Kraft des Hl. Geistes.

Die bekannte Szene mit dem Sturm auf dem See, wo Petrus zu schreien begann: !“Herr, rette uns, wir gehen zugrunde!“, wiederholte sich in der Gründonnerstag-Nacht.

Damals, in jener Nacht auf dem stürmischen See, wandelte Petrus über das Wasser dem Herrn entgegen, er schaute dann aber allzu selbstsicher von Christus weg auf sich selbst und begann darauf sofort zu sinken. Aber die Hand des Herrn erfasste ihn und führte ihn wieder auf festen Boden.

Ja, wie Petrus, so sollten auch wir es uns merken: Übertriebenes Selbstvertrauen zerstört das Gottvertrauen. Echtes, tiefes Gottvertrauen aber verzichtet auf übertriebenes Selbstvertrauen. Wer sich selbst allzu stark fühlt, wird von Gott der eigenen Schwäche überlassen. Wer aber um seine eigene schwäche weiß und sie demütig eingesteht, der sucht und findet die Kraft zum Widerstand und zum Durchhalten im Glauben im Hl. Geist.

Unsere Existenz im Glauben ist durch die Brüchigkeit des eigenen Wesens und vor allem heute auch durch satanische Versuchungen ganz stark verunsichert und gefährdet. „Satan hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie Weizen!“ aber unsere Existenz im Glauben findet wahre Sicherheit durch Christus in Gott.

Wer diese Glaubenssicherheit gefunden hat, der soll sie weitertragen und den Weg heraus aus der Gefahr hin zur Rettung und zur wahren Sicherheit im Glauben auch anderen zeigen und vorleben: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Du aber, wenn du umgekehrt bist, stärke deine Brüder!“

Dieses Abschiedswort des Herrn an Simon Petrus beim Letzten Abendmahl „Ich habe für dich gebetet...“ ist ein tröstliches Geleitwort auf dem Pilgerweg für jeden Petrusnachfolger, für jeden Papst, für jeden Apostelnachfolger, für jeden Bischof und Priester, für die ganze Kirche und jedes einzelne Glied der Kirche, also für jeden von uns.

Die Kirche wird heute –wie selten einmal in ihrer Geschichte – von Satan gesiebt, die Kirche wird immer wieder, wo sie falsche, übertriebene Selbstsicherheit zeigt, fallen und sich der Gefahr der Selbstzerstörung aussetzen, aber immer wieder wird die Kirche, die der Herr auf den Felsen Petri gebaut hat, durch Christi Gebet und Gnadenhilfe, trotz allen Gefahren und Versuchungen, im Letzten gesichert sein...

„Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen!“

Die Folgerungen aus diesen Überlegungen für uns, für einen jeden von uns:

1. Nie falsche, pharisäische, auf die anderen verächtlich herabschauende Selbstsicherheit im Glauben manifestieren!

2. Einzig und allein auf Gott vertrauen, auf das Gebet, auf die Gnade Christi!

3. Wenn uns selbst ganz unverdient ein starker, unerschütterlicher Glaube und unerschütterliche Treue zu Christus und seiner Kirche zuteilgeworden ist, dann dieses Charisma nicht dazu benützen, um die anderen, die nicht so gesinnt sind, zu verachten, sondern um den anderen zu helfen: „Du aber stärke deine Brüder!“

4. Fragen wir uns noch ganz konkret: wie können wir unsere im Glauben verunsicherten, lau und gleichgültig gewordenen Brüder und Schwestern im wahren Glauben stärken? Was können wir für sie tun? Durch das Apostolat des guten Beispiels, des guten Wortes zur rechten Zeit am rechten Ort, durch das Apostolat der selbstlosen, suchenden Liebe diese lau und unsicher im Glauben gewordenen Brüder und Schwestern zu erneutem Praktizieren im Glauben ermuntern. Solche Menschen zum Besuch des Gottesdienstes einladen und mitnehmen, zum Sakramentenempfang aneifern! Über das in der Kirche gehörte Wort Gottes mit solchen Menschen reden! Im religiösen Gespräch das Glaubenswissen dieser Brüder und Schwestern zu vertiefen suchen. Und auch Toleranz üben, freilich nie auf Kosten der Wahrheit. Dort, wo es um veränderliche Frömmigkeitsübungen und Praktiken geht, sollten wir manchmal viel toleranter sein. Nicht auf Kosten der Liebe etwas erzwingen wollen und wäre es auch die Mund- und Kniekommunion! Selber daran festhalten und sich dafür einsetzen, ja, aber nicht meinen, dass man deshalb den anderen den wahren Glauben absprechen dürfte, weil sie sich einbilden, ihre Modernität unbedingt durch die Hand- und Stehkommunion zeigen zu müssen!

Und immer daran denken: Ein schwerer Fall, wie er bei Petrus in der dreimaligen Verleugnung des Herrn erfolgt ist, wäre erst recht auch bei uns möglich.

Ich frage mich manchmal in dieser ernsten Zeit: Hätten wir durchgehalten im Glauben und in der Treue zu Christus und seiner Kirche, wenn etwa wirklich der gottlose Kommunismus die Länder Mitteleuropas, auch unser Land, erobert hätte?! Beten wir füreinander um das rechte Gottvertrauen und lassen wir uns nicht in falsche, pessimistische Katastrophenstimmung hin manövrieren!

Zu einem jeden von uns spricht heute der Herr, wie er damals zu Petrus gesprochen hat: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Du aber, wenn du umgekehrt bist, stärke deine Brüder!“ Amen